Kuriositäten

Mehl verstehen: Internationale Unterschiede und Tipps für die richtige Wahl

Sicher ist es dir auch schon passiert: du folgst einem Rezept aus einem ausländischen Blog, in dem „Tipo 0“-Mehl verwendet wird, doch das Mehl, das du zu Hause hast, trägt eine ganz andere Bezeichnung. Und was machst du jetzt? Ignorierst du es einfach und verwendest das Mehl, das gerade verfügbar ist?
Stopp! Die Wahl des richtigen Mehls ist entscheidend für das Gelingen eines Rezepts. Doch leider gibt es keine einheitliche Klassifizierung – die Bezeichnungen variieren je nach Land, da sie auf unterschiedlichen Kriterien basieren, die lokale Traditionen und Vorschriften widerspiegeln. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Mehlstärke, die verschiedenen Klassifizierungssysteme in Italien, Deutschland, der Schweiz und den angelsächsischen Ländern und klären, welche Mehlsorte sich für welche Zubereitung eignet.
 

Wie werden Mehl klassifiziert?
Die Klassifizierung von Mehl folgt in den meisten Ländern bestimmten Kriterien. Ein wichtiger Aspekt ist der Raffinierungsgrad, der angibt, wie viel Kleie bei der Verarbeitung entfernt wurde. Je weniger raffiniert ein Mehl ist, desto höher ist sein Mineralstoffgehalt – und desto näher liegt es am ursprünglichen Getreidekorn.
Ein weiteres zentrales Kriterium ist die Mehlstärke (Energie), also die Fähigkeit des Mehls, Gluten zu bilden. Sie hängt vom Proteingehalt ab, denn Gluten ist ein Protein. Je höher der Proteingehalt, desto elastischer wird der Teig, was besonders bei Broten mit langen Gehzeiten von Vorteil ist. Während in vielen Ländern der Chopin-Alveograph verwendet wird, um die Mehlstärke zu messen, kommt in der Schweiz der Brabender-Extensograph zum Einsatz, der die Dehnfähigkeit des Teigs analysiert.
 
Italien, Deutschland, Schweiz oder angelsächsische Länder: Wo liegt der Unterschied?
Das italienische System
In Italien richtet sich die Klassifizierung nach dem Aschegehalt, also dem Mineralstoffanteil im Mehl. Je niedriger dieser Wert, desto feiner und heller ist das Mehl.
Das bekannteste ist sicherlich das Tipo 00 (<550 mg Asche pro 100 g Mehl), ein sehr raffiniertes Mehl mit besonders niedrigem Mineralstoffgehalt. Ein bisschen weniger verarbeitet ist das Tipo 0 (<650 mg Asche pro 100 g), das sich gut für Brot und Pizza eignet. Geht man eine Stufe weiter, landet man beim Tipo 1 (<800 mg Asche pro 100 g), das etwas mehr Kleie und Keime enthält, während das Tipo 2 (<950 mg Asche pro 100 g) bereits als halbvollkorn gilt. Schließlich gibt es das Integrale, also Vollkornmehl (1300–1700 mg Asche pro 100 g), das alle Bestandteile des Korns enthält und den höchsten Mineralstoffgehalt aufweist.
 
Die deutsche Klassifizierung
Deutschland verwendet ebenfalls den Aschegehalt zur Einteilung, doch hier stehen die Zahlen auf der Mehlpackung für die genaue Menge an Mineralstoffen pro 100 g Mehl. So entspricht das sehr feine Type 405 (ca. 0,405 % oder <500 mg/100 g) etwa dem italienischen Tipo 00. Etwas kräftiger ist das Type 550 (mit ca. 0,55 % Aschegehalt; 510–630 mg/100 g), das sich hervorragend für Brot eignet. Wer es noch rustikaler mag, kann zu Type 812 (mit ca. 0,812 % Aschegehalt; 640–900 mg/100 g) oder Type 1050 (dunkleres Mehl mit 1,05 % Aschegehalt; 910–1200 mg/100 g) greifen, die als halbvollkorn gelten. Und dann gibt es noch die Type 1600 (mit 1,6 % Aschegehalt; 1210–1800 mg/100 g) und Type 1700 (mit über 2100 mg Asche pro 100 g Mehl), die Vollkornmehle mit hohem Mineralstoffgehalt darstellen.
 
Und in der Schweiz?
Hier lehnt sich die Klassifizierung an das deutsche System an, doch die Bezeichnungen klingen etwas anders. Das feinste Mehl heißt einfach Weißmehl, während das Halbweißmehl etwa der deutschen Type 550 entspricht. Noch kräftiger wird es mit Ruchmehl, einer Art Halbvollkornmehl, das in der Schweiz besonders beliebt ist. Wer es noch dunkler mag, greift zu Dunkelmehl oder Vollkornmehl.
 
Wie wird Mehl in den angelsächsischen Ländern klassifiziert?
In englischsprachigen Ländern spielt der Proteingehalt eine größere Rolle als der Aschegehalt. Hier gibt es keine Typennummern, sondern Begriffe wie Pastry Flour, das nur 8-9 % Protein enthält und sich für feines Gebäck eignet. Das gängigste Mehl für den Alltag ist das All-Purpose Flour, das mit 10-11 % Protein eine Art Alleskönner ist. Wer gerne Brot backt, greift zu Bread Flour, das 12-13 % Protein hat und für eine stabile Krume sorgt. Und für besonders elastische Teige gibt es noch das High-Gluten Flour, das mit 13-14 % Protein vor allem in der industriellen Bäckerei genutzt wird.
 
Welches Mehl eignet sich für welches Rezept?
Jetzt, wo wir die verschiedenen Klassifizierungssysteme kennen, bleibt die große Frage: Welches Mehl sollte ich wofür verwenden?
Für Kekse, Kuchen und Mürbeteig eignet sich am besten ein schwaches Mehl, also eines mit niedrigem Proteingehalt. Diese sogenannten „Keksmehle“ sorgen für eine zarte, mürbe Konsistenz.
Brot, Pizza und Focaccia gelingen am besten mit mittlerem Mehl, das oft auch als „Brotmehl“ bezeichnet wird. Mit einem Proteingehalt zwischen 10-12 % sorgt es für die richtige Balance zwischen Elastizität und Struktur.
Wer es noch stabiler braucht, greift zu starkem Mehl, das 13-14 % Protein enthält. Solche Mehlsorten werden für lange Gehzeiten verwendet, etwa für Baguette, Panettone oder Pandoro, die eine stabile Teigstruktur benötigen.
Und Vollkornmehl? Das ist gesund und ballaststoffreich, hat aber oft eine schwächere Kleberstruktur. Deshalb wird es oft mit raffinierteren Mehlsorten gemischt, um eine bessere Teigverarbeitung zu ermöglichen.
 
Die richtige Wahl macht den Unterschid!
Die Welt der Mehle ist komplex, aber wenn man erst einmal die verschiedenen Klassifizierungen kennt, ist es gar nicht mehr so schwer, das passende Mehl zu finden. Ob italienisches Tipo 00, deutsches Type 550 oder amerikanisches Bread Flour – jede Mehlsorte hat ihre eigene Besonderheit und ihren idealen Einsatzzweck.
Das nächste Mal, wenn du ein Rezept mit einer unbekannten Mehlsorte findest, weißt du genau, welches Mehl du nehmen solltest!