Kuriositäten

Proteine und Gluten: Was das Mehl nicht verrät (aber den Unterschied macht)

Wenn du Mehl kaufst, wirfst du wahrscheinlich einen Blick auf den Proteingehalt auf der Verpackung – um herauszufinden, ob es für Brot, Pizza oder Kuchen geeignet ist. Und oft hört man, dass „starkes Mehl“ gleichbedeutend mit „viel Protein“ ist. Aber ist es wirklich so einfach? Spoiler: nein. Der Proteingehalt ist nur ein Teil der Wahrheit – wichtig, ja, aber bei weitem nicht ausreichend. Wenn du wirklich verstehen willst, wie sich ein Mehl im Teig verhält, musst du tiefer schauen.
 

Gesamtproteine vs. Glutenproteine
Nicht alle Proteine im Mehl tragen zur Bildung von Gluten bei. Nur zwei davon – Gliadin und Glutenin – reagieren mit Wasser und bilden ein elastisches, zusammenhängendes Netzwerk, das den Teig dehnbar macht, beim Aufgehen stabil hält und Gärgase zurückbehält. Diese „unlöslichen“ Proteine machen etwa 70–80 % des Gesamtproteingehalts aus.
Das bedeutet: Zwei Mehle mit gleichem Proteingehalt – zum Beispiel 13 % – können eine völlig unterschiedliche Fähigkeit haben, Gluten zu bilden.
Und es geht noch weiter: Die Qualität des Glutens hängt vom Verhältnis zwischen Gliadin und Glutenin ab – und das ist von Mehl zu Mehl verschieden.
Mehr Glutenin = elastischer Teig.
Mehr Gliadin = dehnbarer Teig.
Die richtige Balance sorgt für einen stabilen und ausgewogenen Teig.
 
Wenn Zahlen täuschen: Nährwertangaben auf dem Etikett
Ein weiteres Problem: Die auf der Verpackung angegebenen Werte sind oft nur rechnerisch ermittelte Durchschnittswerte – sie basieren auf dem Typ des Mehls, nicht auf einer präzisen Analyse der Charge. Zwei Mehle mit gleichem deklariertem Proteingehalt können sich also beim Backen ganz unterschiedlich verhalten. Hier kommt Erfahrung ins Spiel.
 
Qualität vs. Quantität: Der Mythos vom „mehr ist besser“
Vorsicht: Viel Gluten heißt nicht automatisch gutes Gluten. Ein Mehl mit 14 % Protein kann ein luftigeres und stabileres Brot liefern als eines mit 16 %, wenn die Qualität des Glutens besser ist. Deshalb ist auch der Wert des „feuchten Glutens“ allein (in %) kein verlässlicher Indikator für die Backeigenschaften.
 
Teigenergie: Was die sogenannte Stärke (oder Backfähigkeit) wirklich misst
Zur Bestimmung der Eigenschaften eines Mehls bei langen Gärzeiten können zwei verschiedene Methoden verwendet werden, die jeweils auf unterschiedliche, spezialisierte Geräte zurückgreifen: das Alveograph von Chopin oder der Extensograph von Brabender. Da es sich um unterschiedliche Messverfahren handelt, variieren auch die gemessenen Parameter. Der Alveograph konzentriert sich auf die Stärke, Elastizität und Dehnbarkeit des Teigs, während der Extensograph die Dehnbarkeit des Teigs nach unterschiedlichen Ruhezeiten misst.
In der Schweiz wird hauptsächlich diese zweite Methode verwendet. Die Fähigkeit des Teigs, sich zu dehnen, wird dabei als Energie angegeben, die notwendig ist, um ihn zu verformen – ausgedrückt in cm². Dieser Energiewert stellt eine Kombination aus Widerstand und Dehnbarkeit dar: Je höher der Wert, desto besser kann der Teig lange Gärzeiten überstehen, ohne in sich zusammenzufallen.
Deshalb können sich manche Mehle mit identischem Proteingehalt so unterschiedlich verhalten: Entscheidend ist nicht nur, wie viel Gluten vorhanden ist, sondern auch, wie es sich beim Kneten und während der Teigruhe verhält.